Ad Infinitum

»Sehen wir uns heute Abend in der Hauptkuppel?«, fragte Miguel seine hübsche rothaarige Kollegin hoffnungsvoll.
Sie schwebte zu ihm an die Überwachungsmonitore und legte ihm leicht ihre Hand auf den Rücken. »Natürlich werde ich da sein, wie alle die keinen Dienst haben. Das will sich doch niemand entgehen lassen. Eine Jubiläumsfeier wie diese erlebt man schließlich nur einmal im Leben.« Ihr Blick wanderte über die rötliche Oberfläche des Mars, bis hin zu einem Gebilde, das an die Seifenblasen eines Kindes erinnerte. Ein Konglomerat bläulich schimmernder Kuppeln unterschiedlicher Größe, die sich eng aneinanderschmiegten. Hier aus der Orbitalstation konnte man New Haven gut erkennen.

Für Angelique war es ein gewohnter Anblick, sie kannte nichts anderes. Sie gehörte zur ersten Generation der Mars-Geborenen, sie hatte die Erde nie kennengelernt. Fünfzig Jahre war es nun her, dass es den Menschen gelang, die erste dauerhafte Station auf dem Mars zu errichten. Die Entdeckung eines speziellen Quarzsandes, den es nur auf dem Mars gab, hatte diesem Unterfangen einen gewaltigen Schub gegeben. Aus diesem Sand, konnte man ein Glas erzeugen, das von extremer Haltbarkeit und Formbarkeit war. Daraus entstanden dann die Kuppelbauten, lichtdurchlässig und von extremer Stabilität. Sie gaben über zweitausend Seelen eine Unterkunft und beherbergten auch die hydroponischen Farmen.

Die Orbitalstation diente den Robotschiffen mit Versorgungsgütern von der Erde als Anlaufstelle. Gleichzeitig sollte sie den Nahraum überwachen. Zwar funktionierte die Siedlung inzwischen weitgehend autark, jedoch gab es immer wieder dringend benötigte Dinge, die es nur auf der Erde gab. Für heute war kein Transport vorgesehen. Die Siedler dort unten, waren fast alle mit den Vorbereitungen zur 50-Jahr-Feier beschäftigt. Miguel schwebte zu Angelique an die Aussichtsluke und schaute ebenfalls hinaus. »Ist es nicht immer wieder ein wundervoller Anblick? Schon bald werde ich eine dieser Kuppeln mein Eigen nennen.«

»Ach ja, hast du denn schon eine Partnerin dafür gefunden?«, fragte sie mit spöttischem Lächeln. Sie wusste genau, dass Singles nur in den Gemeinschaftsunterkünften wohnen durften. Die kleinen Wohnkuppeln waren nur für Paare, die hoffentlich die Population erweitern würden. Die vorhandenen Ressourcen ließen nur ein langsames und kontrolliertes Wachstum zu. Miguel war sehr daran interessiert, mit Angelique eine dieser Kuppeln zu beziehen, und sie wusste das. Hier oben, auf beengtem Raum lernte man sich sehr gut kennen und sie hatte Miguel schätzen gelernt. Liebe war nicht wirklich das Thema. Auf dem Mars zählten praktische Erwägungen mehr als Romantik. Gute Erbanlagen, die kompatibel waren, hatten mehr Bedeutung als Liebesschwüre. Es war wieder wie in den alten Pioniertagen, man schaute mehr auf das Gebiss als auf den Charakter.

Die Überwachungssensoren, konnten einen großen Bereich abdecken, aber auf das, was da die Jupiterbahn passiert hatte, waren sie nicht vorbereitet, konnten sie nicht sein. Er hatte keinen Namen, keine Bezeichnung. Es war einfach nur ein schwarzer Materieklumpen in der ewigen Nacht des Alls. Ein imposanter Brocken mit einer gewaltigen Masse. Seine Oberfläche hatte die Struktur zerborstenen Glases mit abertausenden spitzen Zacken. Er bestand aus einem völlig fremdartigen Material, das noch kein Mensch zuvor gesehen hatte. Mit der besonderen Eigenschaft, die gesamte Strahlung des elektromagnetischen Spektrums aufzusaugen wie ein Schwamm und nichts davon wieder herzugeben. So entzog er sich jedem Radar oder anderen Sensoren und raste unbeirrt auf seiner Bahn weiter.

»2034 - 2084, 50 Jahre New Haven«, stand auf einem großen Transparent, das oberhalb des Rednerpultes und einem großen Monitor dahinter, hing. Die Ansprachen und Reden voller Lob und Ermunterung waren vorbei. Es gab marsianischen Champagner zum Anstoßen. Angeliques Vater, ein Franzose, hatte seinerzeit Rebstöcke mitgebracht und erfolgreich kultivieren können. Sie stand mit Miguel an einem der Aussichtsfenster. Er wollte ihr heute die Fragen aller Fragen stellen. Mit schweißnassen Händen umklammerte er sein Glas. »Angelique, willst du mich heiraten? Willst du eine Kuppel mit mir teilen?« Mit glänzenden Augen und roten Wangen, stand sie vor ihm, er fand sie nie begehrenswerter. Mit einem strahlenden Lächeln antwortete sie ihm: »Ja mein Lieber, das will ich gerne tun.« Nachdem sein Herz wieder da war, wo es hingehörte, nahm er sie in den Arm und küsste sie lang anhaltend.
»Auf das neue Paar, Gesundheit, Fruchtbarkeit und ein langes Leben!«, skandierten die umstehenden Siedler und hoben ihre Gläser ...

Sie hatten keine Gelegenheit mehr, herauszufinden, was den Himmel so plötzlich verdunkelte. Die Seifenblasen zerplatzten ins Nirgendwo. Der Mars hatte einen riesigen Krater dazu bekommen, drehte sich aber unbeirrt weiter auf seiner vorgegebenen Bahn.

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