Narr und Menschensohn


Die Einsamkeit frisst, höhlt dich aus wie einen faulen Zahn.
Nimmt dir die Kraft, laugt den Boden aus, auf dem dein Selbstwert
Wurzeln schlagen will. Die Dämonen, deiner angelernten und
durch Misserfolge fett gewordenen Selbstzweifel, lachen dir höhnisch
in’s Gesicht. Ist denn nicht derjenige weniger wert, der allein ist?
Ist denn nicht das Alleinsein an sich, schon in höchstem Maße verdächtig und unser besonderen Obacht wert?
Der Einsame, der Einzelne, wird schnell mit dem Schmutz des Argwohns
und des Misstrauens beworfen. Bis endlich soviel an ihm haften bleibt, das ein Jeder sehen kann, wie recht man doch damit hatte. Schließlich ist doch niemand freiwillig für sich allein.
Es sei denn, er hätte etwas zu verbergen!

Voll Verzweiflung, sezierst du dein Innerstes, mit dem scharfen Messer
deiner Zweifel. Auf der Suche nach dem Geschwür der Minderwertigkeit, dessen Gestank doch für Jedermann klar wahrnehmbar sein muß. Wie kommt es nur, daß alle anderen Menschen soviel besser sind als du? Nicht nur besser, nein - auch schöner, klüger - und überhaupt viel toller. Stets sind tolle Frauen mit tollen Männern zusammen, die sich gegenseitig ihrer Tollheit versichern.
Wer allein ist, kann nicht toll sein - tolle Menschen sind nicht allein!
Was, du willst dich nicht einfügen, in den Reigen der Eitelkeiten,
willst nicht tanzen, zu den Klängen des Selbstbetrugs?
Willst der Herde Obdach nicht? Dann sei verdammt!
Sei verdammt dazu, aus eigenem Entschluss, von draußen zuzusehn
und doch im Herzen Sehnsucht zu verspüren!

Von Freiheit sprichst du, eitler Narr?
Nur zu - geh und sei frei. Denke deine eigenen Gedanken,
suche deine eigenen Wege, habe deine eigene Meinung.
Dein kleines Stimmchen wird untergehen, im Chor der Gemeinde,
die den Psalm der Gleichförmigkeit singt. Wirst niedergeschrien,
von der Bruderschaft der Selbstzufriedenen. Das Licht deiner Fackel wird sich verlieren, im flimmernden Glanze des Wohnzimmeraltars.
So sei denn frei, sei frei anders zu sein und doch wünschen zu müssen,
Gemeinsamkeit erleben zu dürfen.

Du denkst an Freundschaft, edler Narr?
Gemeinsam für Gemeinsames zu stehen?
Gibst dich der Lächerlichkeit preis, nur um der Treue willen?
Geh nur hin, entblöße dich und sei gewiss -
am Ende vom Regenbogen, steht ein Topf voll Gold und nicht
ein Fingerhut voll Ehre. Kannst du sie schon schmecken, die Bitterkeit der enttäuschten Hoffnung? Wie viele falsche Versprechen, brauchst du noch, bis du den Deckel schließen kannst, über der Gruft deiner Ideale?
Sei verdammt zu hoffen - wie es alle Narren tun. Hoffe und träume weiter, von den dunstigen Gebilden der Aufrichtigkeit.
Schon bald werden sie verwehen, über dem harten Grund des Eigennutzes.

Du glaubst an Liebe, armer Narr?
Bist vor Sehnsucht schon ganz prall? Glaubst, angetrieben von Hormonen, daß sich zwei Seelen treffen müssten, wenn sie Einheit nur erstrebten? Drum binde dich und leiste Schwüre, wie es viele Narren tun. Sanft und mit geschlossenen Augen, mit der Ewigkeit im Sinn.
Allzu bald zerreißt der Schleier, der stets vor der Wahrheit liegt!
Weißt du nicht, du holder Narr, daß zwei Verlorne die sich trafen,
einander keine Rettung brachten, sondern nur Verlorenheit?
Die hässlichen Fratzen der Eifersucht, des Misstrauens und der Gewohnheit werden schon bald der Liebe den zart gewobenen Boden entziehen. Und dann - als Gipfel eurer Not, als Frucht eurer Hilflosigkeit, wird neues Leben draus entstehen, welches nicht verbindet - sondern trennt.
Liebe nur, du Menschensohn - denn die Asche deiner Träume liegt schon bald auf deinem Haupt. Hast den Bann schon ganz vergessen? Das du ein Verdammter bist? Dir ist der Herde Trost verwehrt, dein Schutz liegt in der Finsternis!

Jetzt willst du deinen Schöpfer schauen, alter Narr?
Die Bitternis zeichnet ihr Netz in dein Gesicht.
Es ist kalt dort draußen in der Welt, kein Licht, kein Feuer wärmt sie mehr? Selbst göttliche Gnade und Erleuchtung, scheinen nur mit kaltem Licht, trösten deine Seele nicht?
Nur Dunkelheit und das Vergessen, locken noch mit ihrem Lohn?
Ruhe sanft, du alter Narr - das Rad der Welt kommt nun zum stehen.
Schmerz und Einsamkeit versinken, in den Schatten grünen Lichts.

Vielleicht wird’s besser - nächstes Mal !