Der Indien-Express von hp '16
As time goes by:
Nachdem ich wieder zurück in Poona war, musste ich
mich mit meinen finanziellen Problemen auseinandersetzen.
Insgesamt hatte ich in den letzten drei Wochen mehr Geld
ausgegeben, als ich mir leisten konnte. Das hieß, ich war
kurz vor pleite. Glücklicherweise, hatte sich inzwischen ein
kleiner Flohmarkt auf der Straße vor dem Ashram etabliert.
Anfangs saßen nur einige fliegende Händler dort, die
entweder Essbares oder indischen Tand anboten. Irgendwann
setzten sich Leute aus Europa dazu und boten ihre
Habseligkeiten zum Verkauf an. Den Meisten, ging es wohl wie
mir, sie waren einfach länger da, als das Geld reichte.
Die Inder wollten alles kaufen, was irgendwie
eindeutig westlich aussah. Besonders beliebt waren digitale
Armbanduhren, Musik-Cassetten, Blue Jeans und auch
Einwegfeuerzeuge. Von meinen bereits indienerfahrenen
Freunden in Berlin bestens vorbereitet, hatte ich natürlich
einiges davon in meiner Tasche. Meine Schlafstatt, ein
Zimmer war es ja nicht, hatte ich wieder in der alten Villa
gefunden. Dort gab es einen riesengroßen Ballsaal, anders
weiß ich es nicht zu beschreiben. Er war mindestens sechs
Meter hoch. Unter der Decke, drehten rechts und links
aufgereiht, je zehn Ventilatoren ihre nie endenden Kreise.
Darunter hatte irgend ein cleverer Geist genauso viele oben
offene Kabinen aus Holz errichten lassen. Darin stand ein
Bett, ein an die Wand geschraubtes Brett und ein Stuhl.
Beleuchtet wurde sie durch eine nackte Glühbirne, die
darüber hing. Für 5.- Rupien am Tag, war es das Günstigste,
was ich finden konnte.
Annemarie ging es prächtig, sie war regelrecht
aufgeblüht. Es gefiel ihr alles über die Maßen gut. So gut,
dass sie noch länger, als die geplanten vier Wochen bleiben
will. Johanna ging es ähnlich wie mir, zwar hatte ihr
Annemarie das komplette Ticket bezahlt, aber eigenes Geld
hatte sie nur wenig mitgebracht. Wir taten uns mit dem Essen
zusammen und verkauften auch gemeinsam unsere Sachen. Zehn
Rupien, war das Minimum, was ich pro Tag brauchte. Fünf fürs
Bett und fünf für Essen und Rauchen. Zigaretten waren sehr
billig in Indien, wofür ich dankbar war. Es waren noch fünf
Tage, bis Johannas Rückflug dran war. Ich hatte noch immer
keine Ahnung, wie es mit mir weitergehen würde. Meine
„Schätze“ würden bald verbraucht sein und dann wurde es
schwierig, an Geld zu kommen. An Arbeiten in Indien war
nicht zu denken, abgesehen davon, dass wir es nicht durften.
Einstweilen, ließen wir uns das Leben nicht
verdrießen und genossen es einfach in Indien zu sein. Chai
war billig, das Wetter war warm und die Menschen waren
freundlich. Es fing dann aber auch immer wieder mal an zu
regnen. An einem solchen verregneten Nachmittag, saß ich mit
Johanna in meiner Kabine und spielte Karten mit ihr. Nach
einiger Zeit, vernehme ich vertraute Geräusche aus einer der
anderen Kabinen, erst noch leise, dann immer deutlicher,
schließlich unüberhörbar.
Anfangs grinsten wir beide uns nur verständnisvoll
an. Als die Töne immer höher wurden, dann abrupt
verstummten, um gleich darauf leiser von vorne zu beginnen,
zeigte das auch bei uns Wirkung. Johanna hatte eindeutig
einen Schlafzimmer-Blick bekommen und bei mir tat sich auch
so einiges in der Hose. Was macht man nur in so einer
Situation? Ich war damals noch so schrecklich blockiert, ich
wusste es wirklich nicht. Ich schämte mich für meine
Geilheit, wollte sie nicht zeigen. Johanna rettete die
Situation, indem sie mir einfach eine Hand auf den
Oberschenkel legte und mich fragte „Hast du Kondome dabei?“
Natürlich hatte ich welche dabei, wie gesagt, die Hoffnung
stirbt zuletzt, nicht wahr? Und so wurde es noch ein sehr
bewegter Nachmittag, an dem ich Johanna von einer ganz
anderen Seite kennenlernte.
Übermorgen soll ihr Rückflug sein, dann muss ich
mich wieder alleine durchschlagen. Da kommt Annemarie wieder
mit einer rettenden Idee daher. Vielleicht aber auch eine,
die mich in ein indisches Gefängnis bringen könnte. Sie
meint, ich könnte doch ihr Rückflugticket benutzen. Es ging
nicht zu ändern, es war Termin gebunden. Da sie auf jeden
Fall noch bleiben wollte, würde es also verfallen. Das
Problem dabei war, dass es nicht nur Termin gebunden,
sondern auch auf ihren Namen ausgestellt wurde. Ich sah mir
das Ticket genauer an. Alle Angaben, waren durch ein rotes
Durchschreibpapier mit der Hand eingetragen worden. Mein
Hinflug-Ticket hatte ich noch, da war so ein rotes Papier
noch drin. Ich legte es über Annemaries Ticket und schrieb
einfach meinen Namen hinter ihren. Da er recht kurz ist,
ging das prima. Sah aber schon merkwürdig aus. Ich hatte so
meine Zweifel, ob ich damit durchkommen würde. Versuchen
würde ich es jedenfalls.
Wir sind im brodelnden Hexenkessel des International
Airport von Bombay, auf dem Weg zum Air-India Schalter. Es
ist schrecklich laut und schrecklich stickig, die
Klimaanlage scheint hoffnungslos überfordert. Die Hostess
mit dem roten Schiffchen-Käppi nimmt unsere drei Tickets und
die Pässe entgegen. Murti ist auch wieder mit dabei. Er ist
sehr still die ganze Zeit über. Es scheint so, als wäre
seine Zeit nicht so gut für ihn gewesen. Die Hostess hatte
alle drei Tickets nebeneinander gelegt, griff sich eins
heraus und verschwindet damit. Mir rutschte das Herz in die
Hose. Mist, hat sie doch was gemerkt! Bis ich die
verbliebenen Ticket besser sehen konnte. Kurioserweise, war
es nicht mein Ticket, was sie rausgesucht hatte, es war
Johannas. Puh, was hat das nun wieder zu bedeuten?
Kurz darauf, kam sie mit einem anderen Angestellten
zurück, irgendeine Angabe auf ihrem Ticket, war wohl nicht
korrekt, konnte aber korrigiert werden. Wir bekamen unsere
Pässe und Bordkarten ausgehändigt „Have a good flight Lady
and Gentlemen!“ Weg waren wir, ich konnte es kaum glauben.
Nachdem wir durch die Passkontrolle waren, mussten wir noch
zwei Stunden warten, bis wir endlich an Bord konnten.
Richtig erleichtert war ich erst, als ich im Flugzeug saß. Nach einem Zwischenstopp in Frankfurt, stand ich schließlich Anfang März, vor dem Flughafen Tempelhof und fror mir in meinem dünnen indischen Hemd den Ast ab. Der Indien-Express war wieder zurückgekehrt.
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